Stellungnahme zur Sendung Tatort vom 24.11.24 20.15 Uhr in der ARD

Liebe Community,

ich habe bereits viele Berichte über die Tatort-Sendung gelesen, die am vergangenen Sonntag, den 24.11.2024, um 20:15 Uhr ausgestrahlt wurde. Nicht viele davon spiegeln die Realität wider, wie sie tatsächlich in meiner Branche aussieht. In einem Bericht wurde sogar behauptet, dass es keine Vereinigungen gibt – das hat mich stark getroffen. Warum ignoriert ihr uns? Das ist ein Schlag ins Gesicht.

In dieser Sendung wurden sämtliche klischeehafte Aussagen über uns dargestellt: dass wir keine Gefühle haben, dass wir alle Zuhälter haben, dass wir uns fühlen wie ein Stück Fleisch und vieles mehr. Ich saß vor dem Fernseher und schüttelte nur den Kopf. Neu war in diesem Tatort, dass wir selbst zu Tätern werden und unsere Kunden umbringen. Das wir selbst zum Täter werden naja sonst wäre es kein Tatort. Ich hatte allerdings damit gerechnet, dass ein Kunde eine Sexarbeiterin umbringt und die Geschichte dann so erzählt wird, da das klischeehaft passen würde – schließlich werden unsere Kunden oft als Monster dargestellt. Dass jedoch wir selbst zu Monstern gemacht werden, war neu für mich.

Ich wundere mich mittlerweile nicht mehr darüber, was über uns gesagt wird. Alle scheinen unsere Branche zu kennen, außer wir, die wir täglich darin arbeiten und erleben, haben keine Ahnung! Über uns müssen dann andere entscheiden. Uns wird die Selbstbestimmung abgesprochen! Uns werden unsere Rechte entzogen!

In meiner Heimat, in Trier, würde man sagen: „Wie lange geht das noch?“

Liebes Tatort-Team, was für eine missratene Geschichte! Unrealistisch und voller Verachtung und Schmerz für all diejenigen, die selbstbestimmt ihren Beruf ausüben. Und das sind nicht, wie unsere geliebte Politik behauptet, nur 1-10 Frauen, sondern es betrifft hunderte Frauen, Männer und trans* Personen.

Ich wünsche mir endlich eine realistische Darstellung unseres Gewerbes. Sexarbeit ist Arbeit und verdient Anerkennung.

Eure

Nicole

8 Kommentare
  1. Hans Strauch
    Hans Strauch sagte:

    Die allgegenwärtige Rede von der überbordenden Zwangsprostitution kommt mir zunehmend wie eine Verschwörungserzählung vor.
    Schauen wir uns die Zahlen an: „Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 406 Opfer und 420 Tatverdächtige im Bereich Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, die in 299 abgeschlossenen Ermittlungsverfahren erfasst wurden. All diese Indikatoren gingen gegenüber dem Vorjahr zurück.“ (Statista)
    Die Dunkelziffer wird oft mit 9:1 angesetzt, aber nehmen wir mal das Allerschlechteste an: 19:1. Dann hätte es 2023 in Deutschland 8.024 Opfer sexueller Ausbeutung gegeben. Aktuell sind rund 40.000 Sexworker:innen in Deutschland registriert. Schätzungen über die tatsächliche Zahl gehen weit auseinander, die meisten liegen so bei 300.000 bis 400.000. Bei 300.000 würde der Prozentsatz an Opfern sexueller Gewalt unter allen Sexworker:innen in Deutschland bei 2,7 Prozent liegen, bei 400.000 wären es 2 Prozent.
    Mit anderen Worten: Das Problem sexueller Ausbeutung darf nicht bagatellisiert werden, und jedes Opfer ist eines zu viel. Es darf aber auch nicht reißerisch aufgeblasen werden (wie von Dorothee Bär, dem jüngsten „Tatort“ usw usw), um den restlichen 97% bis 98% von Sexworker:innen ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf Berufsfreiheit (und damit ihr Einkommen) zu nehmen, ein Grundrecht, das laut Bundesverfassungsgericht seinerseits ein Ausfluß des fundamentalen Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist.

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  2. bojtoof
    bojtoof sagte:

    Leider zieht die ARD das Rotlichtgewerbe in den Dreck!! Gut, dass du auf deiner Webseite aufklärst!
    Die ARD sollte statt solcher Tatortgeschichten lieber Reportagen mit Fakten bringen, zum Beispiel, dass es laut Bundeslagebild 2023 nur ca. 406 Opfer sexueller Ausbeutung gab. Das sind zwar 406 Opfer zu viel aber bei ca. 30.000 registrierten Sexarbeitenden niemals 95 Prozent Zwangsprostituierte!

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    • Nicole Schulze
      Nicole Schulze sagte:

      Auch ich habe die schlechte Seite kennengelernt durch meinen loverboy, ich gebe aber nicht der Sexarbeit die schuld sondern meiner Beziehung!

      Vielen Dank für deinen Beitrag
      Herzliche Grüße
      Nicole

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  3. Hans Strauch
    Hans Strauch sagte:

    Danke für diese dringend nötige Stellungnahme! 👏👏👏
    Ich hab am Montagmorgen sehr viele Rezensionen in der Presse gelesen – absolut gruselig! Praktisch alle schreiben: endlich mal eine realistische Darstellung von „Prostitution“. Die beiden Drehbuchautor:innen hätten gründlich recherchiert.
    Klar, wenn man mit einer Anti-Sexwork-Organisation spricht, wird man von der an eine „Aussteigerin“ weitergeleitet, und die wiederum verschafft einem Kontakt zum nächsten Verein mit dieser Ausrichtung usw usw Da kann man dann jahrelang schreckliche Geschichten und Schicksale aneinanderreihen.
    Deswegen finde ich es super, daß gerade Du aus Deiner Perspektive etwas dazu schreibst. Wenn jemand wie Salomé Balthus, Ella Bizarr usw sich äußern, heißt es gleich wieder: Na ja, Ihr seid ja privilegiert und habt keine Ahnung, wie’s wirklich auf der Straße zugeht.

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    • Nicole Schulze
      Nicole Schulze sagte:

      Lieber Herr Strauch

      Vielen lieben Dank für Ihr Lob. Es gibt soviele selbstbestimmte Menschen in der Sexarbeit nicht viele gehen raus und zeigen Gesicht da das hohe Stigma sie davon abhält. Deswegen bin ich froh über jede Stimme. Auch meine:-) Ich werde hier weiter posten wie es wirklich in unserer Branche zugeht. Über Ihren Beitrag freue ich mich sehr. Herzliche Grüße Nicole

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      • Hans Strauch
        Hans Strauch sagte:

        Liebe Frau Schulze, lieben Dank für Ihre positive Rückmeldung!
        Ich hab den Kommentar jetzt in etwas überarbeiteter Version auch auf dem Instagram Account vom Berusverband gepostet.
        Ob ich den wohl auch auf der Website von Dorothee Bär unterbringen kann? 🤔😉😅

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  4. Michael Schnickers
    Michael Schnickers sagte:

    Die allseits bekannte Inge Bell hat heute bei FB geschrieben:
    „Die Stuttgarter Veranstaltung (*) zu Prostitution und Freiertum verlief konstruktiv und zivilisiert. Erstaunlich, denn wir hatten wieder mit den üblichen Störern aus dem Rotlichtmilieu gerechnet. “
    Deutlicher kann man die Verachtung für selbstbewusste SexarbeiterInnen nicht ausdrücken.
    (*) mit „Sisters“ und Leni Breymaier.

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